Fabrikgeschichte

Keramik aus dem Dünnerntal, ein Stück Solothurner Geschichte

Das mittlere Thal an der Grenze zwischen Matzendorf und Aedermannsdorf ist der erste Standort der Thaler Industrie. Bereits im Mittelalter wurde am Schatten- und  Sonnenberg nach Erz gegraben, und spätestens um 1560 entstanden eine Schmelze und Schmiede am Fusse des Solothurner Weges am Horngraben. Die Keramikmanufaktur war so betrachtet die Fortsetzung der bestehenden Handwerksbetriebe. 

Das Keramikmuseum Matzendorf zeigt Geschichte und sämtliche Produktionsphasen der 200-jährigen Tradition.

Geschichtliches

Die Gründung der Fayence-Manufaktur geht zurück auf Ludwig von Roll, dem späteren Pionier der Solothurner Eisenindustrie. In der Balsthaler Region entdeckte er Bohnerz, Huppererde, Schwefelkies und Boluserde. Die Huppererde von Matzendorf erwies sich als brauchbar für die Herstellung von Kochgeschirr, was ihn bewog, das Gelände zu kaufen und ein Gesuch zur Errichtung einer Keramik-Manufaktur einzureichen.

Louis von Roll

Widerstand der Bevölkerung 

Die Bewilligung des Baus der Fabrik stiess bei den Thalern auf Widerstand und drohte kurz nach dem Einmarsch der Franzosen im Jahre 1798, die Fabrik zu zerstören. Offenbar gelang es dann dem helvetischen Kommissar der neuen Regierung in Balsthal, die Aedermannsdorfer zu beruhigen. Vielleicht waren aber auch die Besatzungsmacht und der Sturz der alten Ordnung bedrohlicher als der Bau dieser Fabrik.

Die Matzendorfer Keramikfabrik um 1900

Johann Jakob Frey als erster Fabrikdirektor

1798 wurde die Fabrik unter der kundigen Leitung des Lenzburger Fayenciers, Johann Jakob Frey, eröffnet. Freys Lenzburger Manufaktur war bis 1790 erfolgreich, und die Produkte zeugen von einer hohen künstlerischen und handwerklichen Qualität. Im Juli 1798 wurde zwischen von Roll und Frey ein Vertrag gezeichnet, der die Konstruktion der Brennöfen, die Fertigung von Fayence, Steingut und feuerfestem Geschirr sowie von Glasuren regelt. 

Ausländische Fachleute

Wenn auch die Materialen grösstenteils dem heimatlichen Boden entnommen werden konnten, ging es vorerst nicht ohne die kundige Leitung auswärtiger Fabrikdirektoren.  Bereits um 1800 übernahm Franz Contre aus Sarreguemines den Posten des Direktors. Den Sachkenntnissen Contres wird das Gelingen der Steingut-Fabrikation in Matzendorf zu verdanken sein.  Der Einfluss der französischen und süddeutschen Keramik ist denn auch in den Produkten der Pionierzeit unübersehbar. 

Die Matzendorfer «Fabrique» in Aedermannsdorf

Trotzdem muss schon bald ein Wechsel zu einheimischem Personal stattgefunden haben. In der Volkszählung von 1808 werden jedenfalls 13 Thaler Arbeiter der «Fabrique» aufgeführt. Ludwig von Roll  kaufte 1810 von den Gebrüdern Dürholz die Hammerschmiede von Aedermannsdorf und produzierte nunmehr Eisenwaren. Im Jahre 1829 verkaufte er die Fayence-Fabrik. So entstand ein Matzendorfer «Familienbetrieb» in Aedermannsdorf, der bis zur Gründung der Aktiengesellschaft «Thonwaaren-Fabrik Aedermannsdorf» im Jahre 1883 in gleichen Händen blieb.

Typische Thaler Fayencen

Als Matzendorfer Keramiken des 19. Jahrhunderts können eindeutig jene Formstücke bezeichnet werden, die signiert (MAZENDORF und JM) oder mit ortsüblichen Namen und Hinweisen beschriftet sind. Solche Objekte gibt es in der Tat recht viele in allen Solothurner Museen. In Matzendorf sind eine Ohrentasse und der dazu passende Teller von Anna Barbara Meister 1817 oder etwa das Senftöpflein des ersten Amtsschreibers von Balsthal, Bernhard Munzinger 1820, besonders zu beachten.

Senftopf von Bernhard Munzinger

Auch Produkte der letzten Schaffensperiode der beiden Maler Niklaus Stampfli und Franz Nussbaumer sind erhalten geblieben. Die blaue Farbe ist in ihren Dekorationen vorherrschend, und die Blumenmotive sind fast ausnahmslos symmetrisch aufgebaut. Der “Hafnerchlaus”, wie Stampfli genannt wurde, muss sehr tüchtig gewesen sein. Seine Fayencen haben jedenfalls lokal eine grosse Verbreitung gefunden.

Das “Fabriqueli” von Urs Studer  

Neben Niklaus Stampfli in Aedermannsdorf ist auch Urs Studer in Matzendorf zu erwähnen. Er hat nach seinen Lahrjahren in der «Fabrique»  einen eigenen, kleinen Betrieb gegründet. Die Bevölkerung nannte die Werkstatt in Matzendorf  liebevoll das «Fabriqueli».

«Thonwaaren-Fabrik» Aedermannsdorf AG

Mit der Gründung der Aktiengesellschaft um 1883 wurde die Produktion von bemalter Fayence grösstenteils auf Koch- oder Braungeschirr und Ofenkacheln umgestellt. 

Meist waren die Keramiken reliefartig verziert und in Braun, Gelb, Grün oder Blau erhältlich. Grössere Platten oder Schalen erhielten die Signatur  ÆDERMANNSDORF, in Majuskeln mit Æ. 

Benno Geigers Kunstkeramik 

1935 konnte der damalige Fabrikbesitzer, Alfred von der Mühll, Benno Geiger als Leiter der kunstkeramischen Abteilung gewinnen. Mit seiner Anstellung gab es auch bald wieder ausgebildete Keramikmalerinnen und -maler, die kunstvoll zu dekorieren verstanden. Noch heute wirken verschiedene Keramiker und Keramikerinnen, die unter Benno Geiger in Aedermannsdorf das Handwerk gründlich erlernt haben. 

Rössler AG, Aedermannsdorf

Von Rolls geniale Idee hat in den letzten zwei Jahrhunderten eine Tradition erstehen lassen, die bis heute die Thaler Industrie-Geschichte mitprägt. Aus der kleinen Fayence-Manufaktur des 19. Jahrhunderts ist eine automatisierte Porzellan-Fabrik geworden, deren Produkte auch ausserhalb der Schweiz einen guten Absatz finden. 1998 feierte die Keramiktradition im Thal ihren 200. Geburtstag.

Die Aedermannsdorfer Keramikfabrik um 2004

Seit Ende Februar 2004 Produktion eingestellt

Die mehr als 200-jährige Thaler Keramiktradition fand im Jahre 2004 wohl ihr endgültiges Ende. In der globalisierten Wirtschaftswelt hatte die kleine Betrieb in der Schweiz keine Chance. Die Produktion wurde eingestellt und nun in Nachbarländern in Auftrag gegeben. Damit ist das keramische Schaffen im Dünnerntal endgültig Geschichte geworden. Der Verein „Freunde der Matzendorfer Keramik“ bemüht sich nun, auch die Produktionsphasen der Firma Rössler AG in Aedermannsdorf ausreichend zu belegen.

Downloads

Die Fabrikgeschichte als PDF zum Download

St. Ursenkalender 1936

Arkanum (Transkription)

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